23.11.2019: Premiere „König Karotte“ (Volksoper)

Nach „Hoffmanns Erzählungen“ und „Orpheus in der Unterwelt“ wurde nun ein weiteres Werk des französischen Komponisten Jacques Offenbach, der heuer seinen 200. Geburtstag gefeiert hätte, in das Repertoire der Wiener Volksoper aufgenommen: die heutzutage nur selten gespielte Zauberoper namens „König Karotte“. Wie trotz einer eher lächerlich oberflächlichen Handlung gekonnt Gesellschaftskritik ausgeübt wird und warum selbst Gartengemüsesorten die Herrschaft an sich reißen können, erfahrt ihr in den nächsten Zeilen.

Prinz Fridolin von Krokodyne regiert wie viele andere seiner Zeit – verschwenderisch, rücksichtslos und immer bereit für neue Vergnügungen. Doch seine engsten Berater wollen dem nun ein Ende setzen und ihn eines Besseren belehren. Allerdings kommt ihnen die Hexe Kalebasse zuvor und rächt sich nach einem zehnjährigen Zauberverbot, indem sie die Prachtexemplare ihres Gemüsegartens zum Leben erweckt und ihnen befiehlt, den Herrscher vom Thron zu stürzen. Außerdem auferlegt sie dem Hofstaat einen Bann und der neu gekrönte König Karotte wird wie ein Messias gefeiert. Sogar Fridolins Liebhaberin Kunigunde will mit ihm nichts mehr zu tun haben; einzig seine engsten Berater bleiben dem ehemaligen König treu. Zu fünft suchen sie den Zauberer Quiribibi auf, welcher sie beauftragt, den Ring des Salomon zu suchen, der den Bann brechen könnte. Als Dank helfen sie ihm bei einem mehr als nur schrägen Verjüngungsprozess und finden sich im antiken Pompeji wieder, wo sie nur knapp dem verheerenden Vesuvausbruch entkommen. Nach einigen weiteren aufregenden Abenteuern kann das Quintett Zwietracht unter der Bevölkerung säen und es entwickelt sich ein Aufstand. Fridolin findet die wahre Liebe in der Grafentochter Rosee-du-Soir, die ihm auf der Reise mehr als nur einmal seine Haut retten konnte, und besteigt wieder erfolgreich den Thron.

Die zum neuen König übergelaufenen Minister mitsamt der Prinzessin Kunigunde (Julia Koci)

Wie so oft bei Offenbachs Operetten, wird anhand einer eher banalen Handlung zwischen den Zeilen unverschämt Kritik an dem damaligen Volk geäußert. Sei dies durch das glamouröse Leben des Königshauses oder durch das scheinbar launische, nichts hinterfragende Volk – der Fantasie von Victorien Sardou, späterer Verfasser Puccinis „Tosca“, sind keine Grenzen gesetzt. Dazu kommt eine opulente, komplett überdrehte Inszenierung von Mathias Fischer-Dieskau und Susanne Hubrich, Kostüme letzterer sind schön farbenfroh und verspielt. Matthias Davids‘ Regie ist zwar sehr humorvoll und gegenwärtig, leider ist der Gesamteindruck in Schrillheit und Komik dann doch etwas zu viel des Guten.

Das Ensemble der Wiener Volksoper erbringt wie so oft Spitzenleistungen, besonders Mirko Roschkowskis klarer Tenor sticht hervor. Als Prinz Fridolin kann er sich auch schauspielerisch gut durchsetzen. Seine engsten Berater, darunter Marco Di Sapia (Pipertrunck), Amira Emaldfa (Robin), Yasushi Hirano (Truck) und Boris Eder (Baron Koffre), stehen ihm mehr oder weniger treu zur Seite und bestreiten mit ihm die wildesten Abenteuer, Jakob Semotan (Marschall Track, Schlachtenminister) kann mit deren Hilfe das Volk umstimmen. Großartig ist Christian Graf als Hexe Kalebasse/Zauberer Quiribibi, der die Interpretation von Bösewichten jedes Mal neu erfindet und das Publikum in seinen Bann zieht. Auch Julia Koci zeigt sich als Prinzessin Kunigunde von ihrer lustigsten Seite, eine absolute Witzfigur stellt der eigentliche Protagonist des Abends, „König Karotte“ Sung-Keun Park, dar, kann sich aber in der eine Spur zu lächerlich gezeichneten Rolle gut behaupten.

Sung-Keun Park als König Karotte (alle Fotos: Barbara Palffy)

Wer mit absoluter Überdrehtheit, viel Glamour und einer zwar witzigen, aber aus meiner Sicht komplett albernen Handlung etwas anfangen kann, sollte sich diese Rarität nicht entgehen lassen. Leider ist die Zauberoper vom einmaligen Sehen her eher nichts für mich; trotzdem ist die Produktion an der Volksoper gut geglückt und – wer weiß? – vielleicht gebe ich dem „König Karotte“ noch eine zweite Chance.