Zum allerersten Mal sah ich vor kurzem Georges Bizets wohl bekannteste Oper „Carmen“ in der Wiener Volksoper. Als einzige Melodie kannte ich vom Einstudieren im Zuge des Opernworkshops Osterflash die berühmte Habanera und dennoch war ich erstaunt, wie viele Motive des Stücks ich bereits unwissentlich gehört hatte – als Paradebeispiel ist der Beginn der Ouvertüre, der traditionell zur Formel1-Siegerehrung gespielt wird, nennenswert. In den nächsten Zeilen findet ihr meine allerersten Eindrücke von diesem Werk sowie Schilderungen der Umsetzung in der Volksoper, also bleibt dran!
In Sevilla trifft die von allen Männern heiß begehrte Zigeunerin Carmen auf den Soldaten Don José, welcher gänzlich in sie verfallen ist. Hemmungslos nutzt sie seine Verehrung aus, indem sie ihn regelrecht zwingt, dem Kommandantenleben Adieu zu sagen und sich Schmugglern anzuschließen. Schlussendlich verliert Carmen das Interesse an dem Soldaten und wendet sich dem in ganz Sevilla bekannten Stierkämpfer Escamillo zu, den sie auch am Tage eines Wettkampfes in die Arena begleitet. Ein letztes Mal versucht Don José, Carmen zurückzugewinnen und droht sogar mit dem Tod, willige sie nicht ein. Doch diese entscheidet sich für ihre Freiheit – und wird von ihrem ehemaligen Liebhaber daraufhin erstochen.
Die Inszenierung an der Volksoper wirkt sehr realitätsgetreu. Vor allem das Bühnenbild von Johannes Leihacker ist minimalistisch und farblos gehalten, wozu Karin Seydtles prächtig schillernden Zigeunerinnenkostüme einen hübschen Gegensatz bilden. Für meinen Geschmack fehlt dem ersten und zweiten Akt in der Regieführung nach Guy Joosten der rote Faden, manchmal ist dem Inhalt nur schwer zu folgen. Ein bisschen mehr Kreativität bezüglich Gestaltung und einzelnen Handlungen der Charaktere hätte vor der Pause die Spannung besser herstellen können. Im kompletten Gegensatz dazu steht das dramatische, musikalisch extrem starke Finale, das vom Leading Team genial umgesetzt ist. Während der Chor in den zur Bühne innersten Logen eine kommentierende Rolle einnimmt, befindet sich das zentrale Geschehen auf der Bühne, wo lediglich Carmen und Don José interagieren – und das in ihrer ganz eigenen Welt. Dadurch wird eine gewisse Intimität hergestellt, die mit der Handlung und der Musik perfekt übereinstimmt.
Stepanka Pucalkova zeichnet „ihre“ Carmen herrlich arrogant, eigensinnig und gleichzeitig charismatisch, wobei mir persönlich die verführerischen und attraktiven Eigenschaften ihrer Rolle zu wenig herausgearbeitet werden. Dennoch glänzt sie sowohl schauspielerisch als auch stimmlich im finalen Duett mit Vincent Schirrmacher (Don José), welcher seine ausdrucksstarke Stimme an vielen Stellen zeigen kann. Ebenfalls großartig agierten Johanna Arrouas als Frasquita, Julia Koci als Micaela und Luke Stoker in seinem Hausdebüt als der Stierkämpfer Escamillo.
Insgesamt eine mit kleinen Abstrichen hervorragend gelungene Wiederaufnahme mit einem unter der Leitung von Anja Bihlmaier grandiosen Orchester, viel Spannung und wunderschöner Musik!