Auswirkungen von Covid-19 auf die Kulturszene III: Was geschieht mit den Sommerfestivals?

Turbulente Tage liegen hinter uns. Je mehr sich unser Land vom Lockdown wieder abwandte, desto lauter wurden in der Kulturszene die oft verzweifelten Rufe nach Informationen oder sogar stufenweisen Lockerungen. Viele durchwegs namhaften Künstler setzten die österreichische Bundesregierung unter Druck und machten ihre aussichtslose Situation sowie ihren Unmut publik. Immer wieder ein Thema war dabei, dass Theater, Opernhäuser, Festivals… zuallererst schließen und anscheinend zuallerletzt öffnen. Doch der wichtigste Punkt war vor allem die Hoffnung auf Hoffnung. Die Hoffnung, dass es bald weitergehen würde oder zumindest bis zur Wiederaufnahme des halbwegs regulären Spielbetriebs die Bereitstellung finanzieller Mittel für jeden einzelnen betroffenen Kulturschaffenden, nicht nur für die im System als „Härtefall“ registrierten Künstler, Theater und Vereine. Nach der Pressekonferenz Mitte April wurde es rund um Ulrike Lunacek still. Auch Kulturminister Werner Kogler äußerte sich nicht weiter zu der Notsituation, in der Kunst und Kultur seit März schweben. Nun, wir wissen jetzt, wohin die scharfe Kritik schlussendlich führte. Lunacek ist in ihrem Amt als Staatssekretärin für Kunst und Kultur zurückgetreten – an ihrer Stelle übernahm die für jenen Tag angesetzte Pressekonferenz Gesundheitsminister Rudolf Anschober, der gemeinsam mit Werner Kogler den heiß ersehnten Fahrplan zur langsamen Öffnung von Veranstaltungen präsentierte. Die stufenweise Lockerung der Maßnahmen im Kulturbereich begann somit bereits am 29. Mai mit der Zulassung von Veranstaltungen mit bis zu 100 Teilnehmern; der nächste große Schritt ist für Anfang Juli angesetzt. Unter Vereinbarung mit Künstlern wurde ein Konzept erarbeitet, das die genauen Bedingungen für Sommerfestivals festlegt und schon bald vorgestellt wird. Insofern heißt es für all jene Kulturveranstalter der größeren Sommerproduktionen, weiterhin abzuwarten.

Dennoch sind viele Produktionen bereits seit Mitte März abgesagt oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Erinnern wir uns an diese Zeit zurück – vor ein paar Tagen kam die Verordnung zur Schließung jeglicher Veranstaltungen, Universitäten sowie Schulen wurden geschlossen, die berühmt-berüchtigte Kurve schnellte aus damaliger Sicht beängstigend nach oben. Und dann kam auch schon der absolute Lockdown sowie die de facto Ausgangssperre. Für Intendanten und Veranstalter sicherlich keine einfache Situation.

Unter diese Absagen fallen unter anderem die Produktion „Evita“ im Zuge des Musicalsommers Winzendorf und die Kinderoperette „Anton und Maria“ als Teil der Seefestspiele Mörbisch. Ich habe mit Emilia Heigl und Guido Mancusi, beide jeweils Mitwirkende der Veranstaltungen, über ihre aktuelle Situation, ihre persönlichen Gedanken sowie weitere Hintergründe plaudern dürfen.

Emilia Heigl befindet sich im dritten und letzten Jahrgang ihrer Ausbildung an der Performing Academy. Bevor sie vollständig in das Berufsleben als Musicaldarstellerin eintritt, wäre sie Teil des Ensembles von „Evita“ an der Seite von Wietske van Tongeren und weiteren professionellen Darstellern auf der Winzendorfer Bühne gestanden.

„Angesichts der Situation im April wäre ein Probenbetrieb sowie die Vorstellungen mit bis zu 800 Zuschauern nicht möglich gewesen. Deshalb wurde ‚Evita‘ auf nächstes Jahr verlegt. Das war für die Verantwortlichen sicherlich keine leichte Entscheidung, doch die Gesundheit von Publikum und Ensemble geht in dem Fall vor. Gleich das erste Engagement nach der Ausbildung zu verlieren, ist für mich ziemlich schmerzhaft. Im ersten Moment wirkt alles ein wenig wie das Ende der Welt, aber, um meine Großmutter zu zitieren: Wer weiß, wofür es gut ist. In dem Fall ist verschoben glücklicherweise nicht aufgehoben. ‚Evita‘ kann voraussichtlich am 2. Juli 2021 in Winzendorf Premiere feiern und ich persönlich hätte natürlich große Lust, dabei zu sein. Doch wenn ich eines in dieser Ausnahmesituation gelernt habe, dann wohl am ehesten: Nix ist fix.

Produzent Benedikt Karasek, Intendantin Marika Lichter, „Evita“ Wietske van Tongeren und Produzent Jérôme Berg.  (Foto: Musicalsommer Winzendorf)

Auch in einer anderen Hinsicht hat die Coronakrise mir einen Strich durch die Rechnung gemacht. Diesen Juni hätte ich mein Studium an der Performing Academy endgültig abgeschlossen und bei der staatlichen Bühnenreifeprüfung vor der paritätischen Kommission antreten sollen. Unsere Abschlussshow des dritten Jahrgangs hätte ebenfalls im März stattgefunden. Wir werden das alles hoffentlich im Herbst nachholen können. Nach Winzendorf würde ich eigentlich mit den Proben für mein nächstes Engagement anfangen – ich wäre mit dem Kreuzfahrtschiff ‚MS Amadea‘ als Sängerin an Bord neun Monate um die Welt gereist – aber dieses ist nun auch ins Wasser gefallen. Aber ich freue mich trotzdem total auf die Reise, wenn sich der Tourismus bald wieder erholen kann.

Ab Oktober werde ich dann auch beginnen, Rechtswissenschaften zu studieren, damit mir zwischen Proben, Castings und Trainings ja nicht langweilig wird – aber keine Sorge, Musical ist und bleibt mein Hauptaugenmerk!“

Guido Mancusi ist Komponist, Dirigent und Arrangeur an der Wiener Volksoper. Im heurigen Juni hätte er seine Kinderoperette „Anton und Maria“ neben der parallel auf der großen Seebühne laufenden „West Side Story“ uraufgeführt. Und dann kam Corona. Doch auch hier ist verschoben nicht gleich aufgehoben, wie er erzählt:

„Die Seefestspiele Mörbisch bieten unter der Intendanz von Peter Edelmann jedes Jahr eine Kinderproduktion zur Ergänzung an, die immer inhaltlich und musikalisch an die größere auf der Seebühne abgestimmt ist. Heuer wurde mir die Ehre zuteil, ‚West Side Story‘ kindgerecht aufzuarbeiten, bis mein Librettist Carsten Süss und ich dann aufgrund von Verlagsschwierigkeiten beschlossen haben, eine völlig neue Geschichte mit neuer Musik entstehen zu lassen. Unsere Kinderoperette ‚Anton und Maria‘ ist an die Handlung von Bernsteins Meisterwerk angepasst, aber dafür in die burgenländischen Weinberge verlegt und mit einem Happy End versehen. Auch musikalisch sind einige Parallelen zu finden und die Figuren Anton und Maria sind natürlich ebenfalls vom englischsprachigen Original übernommen.

als noch alles gut war: Guido Mancusi (mittig hinter Plakat), Librettist Carsten Süss (rechts außen) und weitere Beteiligte während einer Pressekonferenz zur Planung von „Anton und Maria“ (www.burgenland.at)

Die Absage vonseiten der Kulturbetriebe Burgenland stürzte uns alle in große Schwierigkeiten. Jetzt, drei Monate nach der Stilllegung der kulturellen Veranstaltungen, sieht die Sache wieder völlig anders aus. Für mich und das gesamte Ensemble war diese Nachricht sehr enttäuschend. Schließlich habe ich mich als Komponist meiner Operette extrem darauf gefreut. Dazu kommt, dass die für eine Aufführung am Programm gestandene CD-Aufnahme nicht stattfinden kann, was einen Einnahmenentgang bedeutet. Auch für meine Solisten, großteils junge Studenten, und die Orchestermusiker bedeutet das natürlich keine Gage. Trotzdem gibt es Hoffnung, denn ‚Anton und Maria‘ wird, unabhängig von der großen Produktion, 2021 stattfinden können. Die Operette ist somit fix für diesen Zeitraum vorgesehen und das ist für mich eine Erleichterung.

Gemeinsam mit zwei Streichern und Sängern habe ich im April via YouTube mehrere Sequenzen aus ‚Anton und Maria‘ veröffentlicht – mit Sicherheitsabstand und der maximalen Anzahl von fünf Personen haben wir einmal in der Woche einen Livestream veranstaltet und Ausschnitte aus dem teilweise fertig geprobten Stück direkt nach Hause geliefert. Auch in den sozialen Medien habe ich immer wieder ein paar Einblicke in die Operette gegeben.

ein Abend mit dem Ensemble von „Anton und Maria“ via YouTube (Screenshot)

Ich arbeite aber auch an weiteren Projekten. Am 13. und 14. Juni führe ich beispielsweise mit dem Volksopernorchester Vivaldis ‚Vier Jahreszeiten‘ auf und bin bereits in der Vorbereitung für ein open-air Konzert am 10. Juli in Maria Enzersdorf, wo ich dann auch singen werde. Außerdem würde ich gerne in nächster Zeit mit befreundeten Künstlern einen Operettenabend veranstalten und dem Publikum via Internetplattform zugänglich machen. Es geht also aufwärts. Ich freue mich aber sehr, 2021 dann ‚Anton und Maria‘ endlich aufzuführen und bin bis dahin guter Dinge.“

Mittlerweile sind wir ein ganzes Stück weiter. Seit 29. Mai sind die ersten Veranstaltungen im allerkleinsten Rahmen wieder erlaubt. Der nächste, für 1. Juli angesetzte Schritt lässt dann Outdoor-Veranstaltungen von bis zu 500 und Indoor-Veranstaltungen von bis zu 250 Personen zu. Ob das günstige Rahmenbedingungen für die Sommerfestivals, die sich mit ihrer Entscheidung bis dato zurückgehalten haben, sind? Fortsetzung folgt…

Quellenangaben für Titelbild: https://www.burgenland.at/news-detail/news/kinderoperette-anton-und-maria-feiert-in-moerbisch-welturauffuehrung/ \ https://www.oeticket.com/artist/musicalsommer-winzendorf/ \ Musicalsommer Winzendorf