Hinter den Kulissen von Musical Unplugged – ein Vormittag mit der Lichttechnik

Unsichtbarkeit gehört zu ihrem Beruf: Um einen reibungslosen Ablauf einer Produktion zu gewährleisten, sind Berufe hinter der Bühne faktisch unersetzbar – und der Allgemeinheit meist unbekannt. Im Rahmen der Konzertreihe Musical Unplugged haben sich Bernhard Singer und Thore Zahradniczek zu ihrem Tätigkeitsfeld in der Lichttechnik Rede und Antwort gestellt. Vorneweg ein kurzer Steckbrief der beiden:

Neben seiner Anstellung bei der Berufsfeuerwehr ist Bernhard Singer seit der Geburtsstunde von Musical Unplugged 2007 als Verantwortlicher für die Technik, insbesondere die Beleuchtung, zuständig. Nach dessen jahrelanger Betreuung der Konzerte wird nun Thore Zahradniczek Licht und Ton übernehmen; der gelernte Veranstaltungstechniker hat schon im Jugendalter eine eigene Firma ins Leben gerufen, die sich unter dem Namen ON-CORE Entertainment 2016 auf die Eventlocation „SkyLoft“ ausgeweitet hat. Auf Idee von Intendant Florian Schützenhofer haben wir von Thore die Erlaubnis erhalten, die „SkyLoft“-Pyramiden im 23. Wiener Gemeindebezirk für das folgende Interview zu nutzen.

Location des Interviews vom 9. Mai 2021: die SkyLoft-Pyramiden in Wien

In der ersten Frage geht es um euer Aufgabenfeld: Beschreibt eure Vorbereitung auf das Konzert von Musical Unplugged. Ab wann wird das Konzept erstellt? Bei welchen Proben seid ihr dabei?

Bernhard: Die Arbeit beginnt für uns Techniker ungefähr ein halbes Jahr vor der Aufführung. Das dann entstehende Konzept wird individuell an die Location angepasst. Wir überlegen uns vorher: Welche Geräte setze ich ein? Welche Stimmungen brauche ich? Welche finanziellen Ressourcen habe ich? In Absprache mit der Regie werden anschließend Anfang und Ende des Konzertes festgelegt.

Ab dann beginnt der kreative Prozess: Die Bühne wird ausgemessen und auf dem Computer virtuell nachgebaut. Dann erstelle ich das Konzept, ein bis zwei Tage vor den Aufführungen bauen wir das Setting auf der Bühne auf. Am Tag der Veranstaltung finden Licht- und Soundchecks statt, bei denen die Darsteller ihre Auftritte mit vollständiger technischer Ausstattung üben. Dann geht es auch schon los.

Thore: Um allen Beteiligten zu erleichtern, die Positionen zu finden – schließlich können die Sänger nicht sehen, ob sie im richtigen Licht stehen – markieren wir mit reflektierendem Klebeband bestimmte Stellen auf der Bühne. Für die Zuschauer meist unsichtbar, aber doch sehr wichtig. Generell ist gute Kommunikation unabdingbar; nur durch gegenseitiges Vertrauen kann die Beleuchtungstechnik funktionieren.

Wie viele Geräte funktionieren während der Vorstellung vollautomatisch, was muss wiederum live per Hand gemacht werden?

Thore: Je nach Location und Veranstaltung ist das verschieden. Arbeitet man rein mit Maschinen, hat man keine Flexibilität. Dafür ist aber alles vorbereitet und man muss im Notfall eben nur nachjustieren.

Bernhard: Bei Musical Unplugged werden gewisse Stimmungen vorher vorbereitet. Ungefähr neunzig Prozent übernimmt der Computer, zehn Prozent machen die Arbeit live aus. Der Verfolgerscheinwerfer beispielsweise kann nur schwer im Vorhinein programmiert werden.

Kein Meister ist bekanntlich je vom Himmel gefallen – wie hat sich das Lichtdesign von Musical Unplugged in den letzten Jahren verändert?

Bernhard: Anfangs haben wir auf private Ausstattung zurückgegriffen. Mit der Zeit ist der Rahmen der Konzerte größer und größer geworden – somit auch die Bühne. Durch die riesigen Hallen muss man mit einer ganz anderen Raumfüllung rechnen. Der Knackpunkt liegt in der Tontechnik; riesige Säle ohne Verstärkung mit puren Stimmen zu füllen, ist herausfordernd! Abgesehen davon gilt natürlich: Je mehr finanzielle Mittel vorhanden sind, desto mehr ist möglich. Menschlich gesehen entwickelt man sich selbst weiter. Es ist ein ständiges Lernen – irgendwann kann man die Erfahrungen super miteinfließen lassen.

Thore, du übernimmst im Juli erstmalig die technische Leitung von Musical Unplugged. Wie vertraut bist du bereits mit den Geräten? Welche Pläne hast du für das erste Konzert?

Thore: Grundsätzlich nimmt jeder Techniker seine eigenen Geräte mit. Jeder hat einen Standard, den er einhält, der durch jahrelanges Arbeiten entstanden ist. Viel werde ich von Bernhard übernehmen können – die nächste Show wird aber bezogen auf die Lichttechnik recht einfach gestrickt sein; es schadet nicht, die Reize ein wenig zu reduzieren.

Im zweiten Teil des Interviews veranschaulichen die beiden Lichttechniker von Musical Unplugged anhand einer Videoaufzeichnung von „Eh du verloren bist“ aus „Dracula“ ihre Herangehensweise mit Lichtregie. Mithilfe eines Monitors wird das Video abgespielt. Durch die vielen musikalischen, aber auch textbezogenen Übergänge habe die Lichttechnik besonders viel zu tun, verrät Intendant Florian Schützenhofer den Grund der Songauswahl. Bernhard Singer erklärt:

Bernhard: Die passenden Cues, also Lichtstimmungen, zu wählen, hängt von der eigenen Interpretation ab; da gibt es kein Richtig oder Falsch. Ganz am Anfang von „Eh du verloren bist“ habe ich mit dunklen Einstellungen begonnen, da die Musik noch zurückhaltend und recht ruhig ist. „Wir sind das Licht“ (Anmerkung: Sek. 23) ist das erste Stichwort: Der Text ist ausschlaggebend, dass auf der Bühne die Scheinwerfer angehen.

Diese und ähnliche Prozesse brauchen ein gewisses musikalisches Grundverständnis. Musik und Text bestimmen die Lichteinstellungen. Manchmal sind es Sekundenbruchteile, die den richtigen Augenblick entscheiden: Ein Beispiel dafür ist das Black, also die komplette Abdunkelung der Bühne. Das muss man im Bauchgefühl haben. Kommt die Dunkelheit zu flott, ist das Publikum überrumpelt – ist man zu langsam, entstehen unangenehme Längen.

Anhand der Aufzeichnung einer vergangenen Vorstellung erklären Thore (links) und Bernhard (Mitte) das Konzept der Lichtregie

Thore: Das ultimative Ziel ist, den Zusehern stimmige und schöne Übergänge zu bieten. Nicht jedes Genre verlangt, nebenbei erwähnt, die gleichen Lichteinstellungen: Während im Showbiz wie dem Musical viel technischer Aufwand gefragt ist, muss man sich bei großen Opern oder konzertanten Aufführungen eher zurückhalten. Natürlich gibt es auch progressive Produktionen, die auf ein ausgeklügeltes Lichtdesign setzen, aber der Publikumsandrang hält sich dann in Grenzen. (lacht)

Die Videoaufzeichnung von „Eh du verloren bist“ (Musical Unplugged 11) gibt’s hier nachzusehen:

https://www.youtube.com/watch?v=5mcvtCNAhZg

Um auf eure langjährige Erfahrung in der Veranstaltungsbranche zurückzukehren: Was kann bezogen auf Licht- und Tontechnik schiefgehen? Welche „Hoppalas“ sind geschehen und wie habt ihr das Problem gelöst?

Bernhard: Wenn ich beginne, jede in diesen dreizehn Jahren erlebte Geschichte zu erzählen, sitzen wir in einigen Tagen noch hier. (lacht) Aber schiefgehen kann alles nur Erdenkliche. Also im Folgenden nur eine Liste: Einmal riss dem Darsteller kurz vor seinem Auftritt das Hemd. Wechseln ging sich nicht mehr aus, also schnappten wir uns Klebeband und Edding. Damit haben wir das Hemd überklebt und übermalt – das Publikum war ahnungslos!

Thore: Für ein Event wurden wir vor ein paar Jahren gebeten, eine Zuspielung via Videowand in die Performance einzufügen. Bevor wir diese bekamen, hatte ich zum Programmieren ein privates Video verwendet. Auf das Austauschen vergaß ich – und so bekamen die Zuseher am Tag des Events anstatt der gefragten Zuspielung ein Video meines letzten Urlaubs… Wenigstens haben es die Zuseher mit Humor genommen.

Florian: (Intendant von Musical Unplugged) Bei einem Auftritt in Wien nahm ein Sänger aus Versehen das falsche Mikrofon auf die Bühne mit – dieses war nicht eingeschaltet und somit war recht wenig Gesang zu hören. Als der Lichttechniker im Kontrollraum das bemerkte, griff er instinktiv über den Arbeitsplatz des Tontechnikers und fuhr den richtigen Regler hinauf.

Thore: Dabei hatte die betroffene Person ein riesiges Glück: Die Mikrofone sind nämlich mit Equalizern an die zugehörige Stimme angepasst. Hätte sie ein Mikro des anderen Geschlechts genommen… Das wäre nicht gut ausgegangen.

 

Wie anstrengend ist euer Beruf? Beleuchtungsproben sind berüchtigt dafür, bis spät in die Nacht zu gehen…

Bernhard: Schlafmangel ist bei der Lichttechnik weit verbreitet. In der Intensivprobenphase bis zur Aufführung war ich oft bis zu 52 Stunden durchgehend munter – nach der Show, wenn das Adrenalin weg ist, lässt der Körper dann komplett aus.

Thore: Als der Songcontest in Wien zu Gast war, wohnten wir drei Wochen in der Stadthalle. Heimfahren hat sich einfach nicht mehr ausgezahlt… Also schliefen wir auf Feldbetten. Auch Weihnachten ist für uns unheimlich stressig, da in dieser Zeit die meisten Events stattfinden. Somit ist das Privatleben kaum vorhanden.

Abschlussfrage: Würdet ihr Lichttechnik als Kunst bezeichnen?

Thore: Absolut! Die Technik ist auf jeden Fall eine Form des künstlerischen Ausdrucks und trägt zu dem bei, was wir als Gesamtkunstwerk sehen: die gesamte Produktion.

Bernhard: Ich sehe das ganz genauso. Man leistet einen kreativen Beitrag, kann seine eigenen Ideen einbringen und die Show individuell gestalten – und das macht Kunst schließlich aus!