15.08.2021: „Cosí fan tutte“/Künstlergespräch mit Joana Mallwitz (Salzburger Festspiele)

Zum hundertjährigen Jubiläum führten die Salzburger Festspiele ein, was sich opernbegeisterte Jugendliche wohl viele Jahre lang gewünscht hatten – ein Kulturvermittlungsprogramm für ausgewählte Produktionen. Unter dem Titel jung und jede*r werden seit einem Jahr in Kooperation mit der Ticket Gretchen-App günstige Theater- und Opernbesuche für alle unter 27 angeboten. Diese Chance musste sogleich genutzt werden – für den 15. August gab es nicht nur spezielle Jugendkartenkontingente für die Nachmittagsvorstellung von Cosí fan tutte, sondern auch die Möglichkeit einer Werkeinführung im Vorhinein und einem Künstlergespräch mit der Dirigentin im Nachhinein. Eine Berichterstattung über diesen wahrhaftig besonderen Abend folgt.

Rund eine Stunde vor Vorstellungsbeginn versammelten sich alle an dem Jugendangebot Teilnehmenden, insgesamt ungefähr 15 an der Zahl, vor der Universität gegenüber der Felsenreitschule. Fast alle der Jugendlichen studierten bereits und waren meist hauptberuflich in der Musik tätig. Nach einer kurzen Wartezeit, in der man zwanglos ins Gespräch kam, ging es in einen der Hörsäle, wo das Bühnenbild eines Familienworkshops der Salzburger Festspiele aufgebaut war. In den folgenden zwanzig Minuten bekamen die Anwesenden von der Initiatorin Ursula Gessat einen Überblick zu Mozarts Oper basierend auf Handlung und Musik und erfuhren mehr über die Entstehungsgeschichte. Einige hatten die Produktion bereits besucht, weshalb bald darauf eine Diskussion über die mögliche Deutung von Cosí fan tutte entbrannte. In dieser ging es einerseits um die Inszenierung von Christof Loy, andererseits um Mozarts mögliches Interesse an einer Genderdebatte: War der Komponist mit seiner Titelaussage „So machen’s alle [Frauen]“ misogyn motiviert? Warum ließen er und Librettist Da Ponte die Handlung so stark in Vorurteile münden? Wie ist dieses Vorgehen im heutigen Kontext zu bewerten? Mit diesen Fragen im Hinterkopf ging es anschließend ins Festspielhaus.

Ist es der erste Besuch der Salzburger Festspiele, bekommt man Eindrücke, die alteingesessene Operngeher wohl kaum mehr wahrnehmen. Ein Beispiel dafür: die hervorragende Akustik. Der Klang der Ouvertüre war wider Erwarten in der vierten Reihe im Parterre so voluminös und dynamisch perfekt, als säße man in anderen Häusern auf der Galerie. Grundsätzlich muss das erste rezensierende Wort dem Dirigat von Joana Mallwitz verliehen werden, die mit Bravour die Wiener Philharmoniker durch die Partitur leitet. Wie von Mozart kaum anders gewohnt, ist Cosí fan tutte ein musikalisches Meisterwerk. Auf jeden Fall muss dieses Werk noch mehrmals gesehen werden, um die Perfektion der Komposition sowie ihren schlüssigen Aufbau vollends zu begreifen.

Christof Loys Inszenierung ist zeitlos-modern und in der bildnerischen Darstellung schlicht. Die zurückgenommenen, meist schwarzweiß gehalten Kostüme bieten eine optisch ansprechende Ergänzung zur schneeweißen Szenerie. Auf Requisiten wird fast vollständig verzichtet. Ob man diesen Stil mag oder nicht: Der Handlungsverlauf und die Personenführung sind stringent und trotz der ersten Begegnung mit Cosí nachvollziehbar.

Alles andere als bunt, und doch mit einigen aufheiternden Details versehen: Die Cosí-Inszenierung bei den Festspielen (Foto-Credits: M. Rittershaus)

Besonders hervorzuheben ist die schon in der Werkeinführung gepriesene Leistung des Ensembles. Es ist nicht zu viel versprochen worden, denn die Rollenarbeit ist bei allen Charakteren in sich geschlossen und bringt ausnahmslos alle Sänger zu schauspielerischen Höchstleistungen. Daher ist es auch nicht möglich, einzelne Urteile über die Sangesleistung des Ensemble zu fällen – auf den ersten Eindruck sind alle auf der Bühne nur positiv aufgefallen. Nach der (leider pausenlosen) Vorstellung gab es Standing Ovations!

Ausgehend vom Bühneneingang des Großen Festspielhauses stiegen alle Interessierten des Jugendangebotes hoch hinauf ins Dachgeschoß der Felsenreitschule, der ausgemachte Treffpunkt für das anschließende Künstlergespräch mit Joana Mallwitz. In den folgenden eineinhalb Stunden stellte sich die Dirigentin den vielen Fragen der Teilnehmenden. Neben einer kurzen Vorstellung ihrerseits und einer Beschreibung ihres Werdegangs bekamen die Zuhörer interessanten Input zur Arbeit des Dirigats. Mallwitz beschrieb den Probenprozess einer Musiktheaterproduktion von den ersten Ideen bis hin zu den Hauptproben und erklärte, wie sie als musikalische Leiterin in den Arbeitsprozess zu Cosí fan tutte eingebunden war: So seien sie und Regisseur Christof Loy im vorigen Jahr zur ersten Premiere der Produktion nächtelang an neuen Arrangements von Mozarts Musik gesessen. Dabei hätten die beiden immer wieder innegehalten und überlegt, wie man am besten mit der Zeitvorgabe der Festspiele umgehen solle – am Ende hätten sie, so Mallwitz, die wichtigsten und schönsten Passagen belassen, ohne den dramaturgischen Ablauf zu schmälern. Das Endergebnis war eine den Umständen zu verdankende Kurzfassung, die aber ausgenommen einiger Striche bei den Rezitativen das Größte beibehalten konnte.

Weiters schilderte die junge Dirigentin ihren Arbeitsalltag und betonte, dass ihre absolute Lieblingsarbeit das stundenlange Wälzen der Partituren darstelle. Während sie das Dirigieren an sich als „reine Fingerübung“ bezeichnete, sei die Beschäftigung mit der Musik das Allerschönste. Es entwickelte sich ein schönes Gespräch mit reger Beteiligung aller Studenten – auch wenn laut Nachfrage von Mallwitz niemand den Wunsch hegte, selbst am Dirigentenpult zu stehen, hingen alle Anwesenden sichtlich gebannt an den Lippen der Dirigentin.

Nach der Gelegenheit, auch persönlich mit Mallwitz einige Worte zu wechseln, trennten sich die Wege der Jugendlichen wieder – und für einige Weitgereiste aus Wien oder Kärnten ging es nach diesem höchst lehrreichen und besonderen Erlebnis mit dem Zug zurück in die Heimat.