Ein Stück in seiner Entstehungsgeschichte zu beobachten, Teil seiner ersten Meilensteine während seiner Aufführungen zu sein und mitzufiebern, ist schon aufregend genug. Doch wenn sich besagtes Werk – in dem Fall ist es „Heidi – Mal deine Wünsche in den Himmel“ – ohne Zutun plötzlich weiterentwickelt und in einer neuen Fassung auf die Bühne gebracht wird, wird es erst so richtig interessant. Und genau das ist mit diesem Musical von Norberto Bertassi geschehen: Ursprünglich im Juli 2019 uraufgeführt, kam es nun im Theater Akzent nahe der Wiener Innenstadt zu einer umjubelten Wiederaufnahme mit einer teils veränderten Besetzung und auf die Hälfte gekürzt. Details gibt es hier!
Jedes Jahr schreibt besagter Norberto Bertassi, Intendant des Vereines teatro, welcher es sich zur Aufgabe macht, talentierte und musiktheaterbegeisterte Jugendliche zu fördern, gemeinsam mit Norbert Holoubek ein neues Musical, meist auf berühmte Kindererzählungen oder Märchen basierend. Dieses gelangt anschließend in einer groß angelegten, sehr professionellen Produktion im Sommer zur Uraufführung im Stadttheater Mödling. Letztes Jahr fiel die Wahl auf Johanna Spyris wohl allen bekannte Romanfigur Heidi, deren Geschichte liebevoll mit weiteren Handlungssträngen ausgebaut wurde. So wird das vom Krieg und der gehetzten Flucht in ein anderes Land sehr mitgenommene Waisenkind Heidi beispielsweise von sprechenden Ziegen getröstet, die auf der Alm ihre besten Freunde werden. Gleichzeitig sind ihre verstorbenen Eltern physisch bei ihr und weichen bei allen Abenteuern nicht von ihrer Seite.
Natürlich dürft ihr nicht vergessen, dass ich mehr oder weniger „betriebsblind“ bin. Immerhin war ich letztes Jahr in der Intensivprobezeit fixer Bestandteil der Produktion als Regiehospitanz und wurde daraufhin sogar mit der Koordination der Requisiten und Bühnenarbeit betraut. Ich begann dadurch, das Stück trotz seiner kleinen Schwächen immer mehr zu lieben und genoss jede Minute dieser zwei Monate – die schöne Musik, die wunderbaren Momente hinter der Bühne und alle 15 Vorstellungen.
Insofern konnte ich mir natürlich die Wiederaufnahme im Theater Akzent nicht entgehen lassen, die in Kooperation mit den drei Studienjahrgängen des Performing Center Austria entstand. Dabei wurde die Handlung auf gute 70 Minuten gekürzt, wodurch leider fast alle Nebenstränge, die von Regisseur und Librettist Norbert Holoubek ursprünglich großartig umgesetzt worden sind, wegfielen. Die extrem anspruchsvollen und optisch exzellenten Choreografien von Angelika Ratej, ebenfalls Absolventin dieser Ausbildung, wurden an die Studenten individuell angepasst und verfeinert. Von der Mödlinger Aufführung im Juli wurde die damalige „Heidi“ Lili Beetz für alle achtzehn Vorstellungen übernommen; auch Catarina Rachoner, Angelina Harranth und Kimiyah Eskandari behielten ihre Rollen als Ziegen bei, während Nicolas Vinzenz erstmalig zum Ziegenpeter wurde, alternierend mit David Mannhart.
Damit kommen wir auch schon zum Ensemble, das trotz der vielen Änderungen in gewohnter Manier Glanzleistungen erbrachte. Besonders harmonisch und wahnsinnig gut aufeinander abgestimmt hüpften die sprechenden Ziegen unter „Bärli“ Johannes Pinkel und „Schwänli“ Nicole Klünsner über die Bühne und beeindruckten auch in der dramatischen ersten Ensemblenummer als Fliehende mit ihren Tanzkünsten. Nicolas Vinzenz als Ziegenpeter konnte dabei ohne Probleme mithalten und ließ schauspielerisch sowie stimmlich nichts zu wünschen übrig. Mit ihrem kindlichen, fröhlichen Gemüt stellte Lili Beetz Heidi einmal mehr wunderbar authentisch dar und jagte mir im Trio mit Emilia Heigl (Heidis Mama) und Paul Gierlinger (Heidis Papa) so manchen Schauer über den Rücken. Janina Raidt zeichnet Klara Sesemann trotz deren körperlicher Einschränkung sehr lebhaft und optimistisch und zeigt mehr als nur einmal ihre hübsche Stimme. Celestine Landt gab ihr Rollendebüt als strenges Fräulein Rottenmeier und brachte mit ihrer humorvollen Darstellung viele Kinder zum Lachen. Höhepunkt dieses Musicals ist der im Broadway-Stil komponierter Song „Tanz im Rampenlicht“, in der vom Ensemble unter Johannes Pinkel und Anja Quinter als Künstlerpaar Patric und Patricia das Publikum regelrecht mitgerissen wurde. Ebenfalls großartig unterstützten Peter Faerber (Alm Öhi) und Norberto Bertassi (Dr. Sesemann) die jungen Darsteller.
So entstand trotz der vielen Kürzungen eine wieder einmal unglaublich professionelle Produktion mit einem extrem talentierten und begeisterten jungen Ensemble – eine Wiederaufnahme, wie man sie sich schöner kaum vorstellen kann!